Johann Georg Schoch            An sein Vaterland / als Er bei Candien.

1627-1690

Jch sitze, Candia, bey dir in Ruhe hier,

Vnd laß’ inzwischen dort das höchstbetrengte Meissen,

Mein liebes Vaterland, sich mit sich selbsten schmeissen,

Jndem sich Teutschland müht mit emsieger Begier

 

Sein Hencker selbst zu seyn. Ich bleibe hier bey dir,

Ein andrer steh für mich in eingeschlossnen Eysen.

Es mag sich auch der Feind umb meine Güter reissen,

Du bist mein Losament, du bist mein Hülff-Quartier.

 

Hier such ich meinen Feind, den kan ich recht bekriegen,

Jch kann in deiner Schoß, O schöne Candia!

So wol, und besser noch, als sie zu Felde liegen,

 

Ein Kuß ist die Patrol, die Losung eitel Ja,

Die Festung darff bey dir nicht erst beschossen seyn,

Du läßt mich durch Acord mit Sack und Back hinein.

 

 

 

 

 

Johann Georg Schoch            Abschiedssonett an die Liebreichen Frauen

1627-1690

Wer spricht, ich ginge hier im Lieben gar zu weit,

Weil ich bei keiner nicht alleine wäre blieben,

Hingegen hin und her, von allen fast, geschrieben?

Ihr Venus-schönes Volk, ihr Blumen meiner Zeit!

 

Ihr Ausbund der Natur! Ich sag es ungescheut:

Ich bin euch allzu gut: ich muß euch alle lieben,

Nachdem ihr mich geliebt, nachdem ihr mich getrieben,

Nachdem ihr mich gereizt durch eure Freundlichkeit.

 

Ich hab euch alle noch, soviel als ich gekannt.

Im Munde hab ich die, die andre in der Hand;

Die in den Armen gar; die dritte bei dem Kinne;

 

Viel in den Augen zwar; die wenigsten im Sinne.

Ich hab euch alle noch, wenn ich zusammen suche,

Obgleich im Herzen nicht, doch hier in meinem Buche.

 

 

 

 

 

Johann Georg Schoch            Auf seinen Traum

1627-1690

Gönn mir doch auch die Ruh, weil alles sonsten ruht;

Wie kannst du, Schöne, mich im Schlafe noch verhöhnen?

Muß ich denn wachend mich und schlafend nach dir sehnen?

Schau, was mir Amor hier für einen Possen tut:

 

Ich lag auf meinem Bett und schliefe ziemlich gut,

Da bat er, daß du ihm dein Bildnis möchst entlehnen.

Das stellt er vor mich hin: Ergötzt dich mit der Schönen,

Sprach zu mir dieser Schalk. Es schossen mir das Blut

 

In allen Adern ging in dich und küßte sich mit dir.

Die Seele ging in dich und küßte sich mit dir.

Drauf fuhrst du mit davon. Wie ist mir doch geschehen?

 

Ich muß mich nun hinfort ganz ohne Seele sehen!

Und dennoch glaubst dus nicht. Empfindst du nicht die Last?

Fühlst du denn, Schwester, nicht, daß du zwei Seelen hast?

 

 

 

 

Johann Georg Schoch            An einen klaren Brunnen     

1627-1690

Du gar-zu klarer Quell, noch heller als Cristal,

Fur dem das Spiegel-Glaß nicht blank genung zu achten;

Wein sollte von dir geh’n; Ich wil dir morgen schlachten

Den jüngsten Ziegen-Bock aus meinem Geißenstall,

 

So kaum an Hörnern kan die Kränze tragen all’,

Der geul und stößig ist; doch wenn man’s wil betrachten,

So hilfft ihn nichts der Muth, den ihm die Jahre brachten,

Dieweil er färben soll den frischen Uberfall.

 

Der Himmel liebe dich, dich brenne keine Gluth,

Weil du die Rinder tränkst, wenn sie nach Hause gehen

Und ihn’ der laue Tag das Joch vom Halse thut.

 

Durch mich solst du so hoch für andern Quellen stehen

So hoch der laute Quel sich durch die Röhren zwingt,

Und lieblich umb und umb aus holen Steinen springt.