1627-1690
Jch sitze, Candia, bey dir in
Ruhe hier,
Vnd laß’ inzwischen dort das
höchstbetrengte Meissen,
Mein liebes Vaterland, sich
mit sich selbsten schmeissen,
Jndem sich Teutschland müht
mit emsieger Begier
Sein Hencker selbst zu seyn.
Ich bleibe hier bey dir,
Ein andrer steh für mich in
eingeschlossnen Eysen.
Es mag sich auch der Feind umb
meine Güter reissen,
Du bist mein Losament, du bist
mein Hülff-Quartier.
Hier such ich meinen Feind,
den kan ich recht bekriegen,
Jch kann in deiner Schoß, O
schöne Candia!
So wol, und besser noch, als
sie zu Felde liegen,
Ein Kuß ist die Patrol, die
Losung eitel Ja,
Die Festung darff bey dir
nicht erst beschossen seyn,
Du läßt mich durch Acord mit
Sack und Back hinein.
1627-1690
Wer spricht, ich ginge hier im
Lieben gar zu weit,
Weil ich bei keiner nicht
alleine wäre blieben,
Hingegen hin und her, von allen
fast, geschrieben?
Ihr Venus-schönes Volk, ihr
Blumen meiner Zeit!
Ihr Ausbund der Natur! Ich sag
es ungescheut:
Ich bin euch allzu gut: ich
muß euch alle lieben,
Nachdem ihr mich geliebt,
nachdem ihr mich getrieben,
Nachdem ihr mich gereizt durch
eure Freundlichkeit.
Ich hab euch alle noch, soviel
als ich gekannt.
Im Munde hab ich die, die
andre in der Hand;
Die in den Armen gar; die
dritte bei dem Kinne;
Viel in den Augen zwar; die
wenigsten im Sinne.
Ich hab euch alle noch, wenn
ich zusammen suche,
Obgleich im Herzen nicht, doch
hier in meinem Buche.
1627-1690
Gönn mir doch auch die Ruh,
weil alles sonsten ruht;
Wie kannst du, Schöne, mich im
Schlafe noch verhöhnen?
Muß ich denn wachend mich und
schlafend nach dir sehnen?
Schau, was mir Amor hier für
einen Possen tut:
Ich lag auf meinem Bett und
schliefe ziemlich gut,
Da bat er, daß du ihm dein
Bildnis möchst entlehnen.
Das stellt er vor mich hin:
Ergötzt dich mit der Schönen,
Sprach zu mir dieser Schalk.
Es schossen mir das Blut
In allen Adern ging in dich
und küßte sich mit dir.
Die Seele ging in dich und
küßte sich mit dir.
Drauf fuhrst du mit davon. Wie
ist mir doch geschehen?
Ich muß mich nun hinfort ganz
ohne Seele sehen!
Und dennoch glaubst dus nicht.
Empfindst du nicht die Last?
Fühlst du denn, Schwester,
nicht, daß du zwei Seelen hast?
1627-1690
Du gar-zu klarer Quell, noch
heller als Cristal,
Fur dem das Spiegel-Glaß nicht
blank genung zu achten;
Wein sollte von dir geh’n; Ich
wil dir morgen schlachten
Den jüngsten Ziegen-Bock aus
meinem Geißenstall,
So kaum an Hörnern kan die
Kränze tragen all’,
Der geul und stößig ist; doch
wenn man’s wil betrachten,
So hilfft ihn nichts der Muth,
den ihm die Jahre brachten,
Dieweil er färben soll den
frischen Uberfall.
Der Himmel liebe dich, dich
brenne keine Gluth,
Weil du die Rinder tränkst,
wenn sie nach Hause gehen
Und ihn’ der laue Tag das Joch
vom Halse thut.
Durch mich solst du so hoch
für andern Quellen stehen
So hoch der laute Quel sich
durch die Röhren zwingt,
Und lieblich umb und umb aus
holen Steinen springt.